“Der Tod ist immer eine Gewalt. Eine ehrfurchterbietende Naturgewalt.” Daniel Schreiber schafft es in diesem äußerst persönlichen Essay, parallel den Tod seines Vaters und die von verlust geprägte aktuelle gesellschaftliche Lage zu beschreiben und dabei deutlich zu machen: Trauer – egal ob um eine Person oder um gesellschaftliche Entwicklungen – kann sehr erschöpfend sein.
Daniel Schreibers neuestes Buch „Die Zeit der Verluste“ ist 2023 im Carl Hanser Verlag erschienen.
„Wie lässt sich einer schwindenden Aussicht auf eine freundliche Zukunft ins Auge blicken?“ Diese Frage stellt sich Daniel Schreiber in seinem Buch „Die Zeit der Verluste“ und bezieht sich dabei auf die Klimakrise, Kriege, Pandemie und die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft. Er spricht von dem vielerorts spürbaren kollektiven Gefühl, am Ende der Geschichte zu leben und dem Eindruck, „Zeuge einer enormen posttraumatischen Belastung“ zu werden.
Zugleich rückt er den Tod seines Vaters in den Mittelpunkt seines Essays. Er realisiert, dass die Abwehr der Trauer um den Vater für ihn zu einer Überlebensstrategie geworden ist. Die Verlustgefühle nehmen zu in Venedig, wo das gesamte Buch spielt – ganz so, als würde die Wasserstadt seine Trauer hochspülen. Während seines Aufenthalts dort bestaunt Schreiber die Venezianer, die ihr Leben jeden Tag aufs Neue bestreiten, obwohl es Venedig aufgrund des steigenden Meeresspiegels möglicherweise irgendwann nicht mehr geben wird.
Für Schreiber kristallisiert sich immer mehr heraus: Trauern bedeutet, das anzunehmen, was die Zeit der Verluste mit uns macht – ohne das wir vorhersehen können, was am Ende dieser Veränderung steht. Es ist eine Illusion, dass Verluste uns nur sporadisch heimsuchen. Irgendwann müssen wir sie als Teil des Lebens anerkennen. Zum Abschluss findet Schreiber versöhnliche Worte: „Ich werde meine Trauer – die um meinen Vater und die um den Zustand der Welt – spüren, aber sie wird mich nicht mehr so erschüttern.“
Gleichzeitig so persönlich und so politisch – Daniel Schreibers Buch nimmt uns mit auf einen Spaziergang durch Venedig, bei dem wir uns mit unseren eigenen Verlusten beschäftigen können.