12. März 2023.
Autorinnen und Autoren: Mario Neumann
Die erste Bremerin wurde re-erdigt: So werden Verstorbene zu Erde
Wer weder in einer Urne noch in einem Sarg beerdigt werden will, der hat jetzt noch eine Alternative: Eine “Reerdigung”. Die Reste von Verstorbenen werden dabei zersetzt.
Erdbestattung oder Feuerbestattung? Das kommt für mich beides nicht in Frage, überlegte sich eine Frau in Bremen. Damit wurde sie die erste Bremerin, die “reerdigt” wurde. Das ist genau das, wonach es klingt, wenn man das Wort langsam ausspricht: eine “Re-Erdigung”. 40 Tage bleibt die verstorbene Person dabei in einem speziellen Behälter und wird zu Erde.
Das Bestattungsinstitut Trauerraum im Bremer Viertel hat mit der inzwischen verstorbenen Dame diese erste Bremer Reerdigung initiiert – statt fand diese allerdings nicht in Bremen, sondern in Schleswig-Holstein.
Kokon statt Sarg
Lisa Schwacke und Heiner Ahrens vom Bremer Bestattungsinstitut sind dafür nach Mölln gefahren. Denn hier, in einer umgewidmeten Kapelle auf einem evangelischen Friedhof, steht der Kokon, in dem die Reerdigung stattfindet. Gefüllt ist der Kokon mit einem Substrat. Leicht warm, angefeuchtet und weich fühlt es sich an, beschreibt Lisa Schwacke.
Es fühlte sich sehr, sehr passend an, eine Person, verstorbene Person darauf zu betten, weil es im Gegensatz zu einer Feuerbestattung beispielsweise nicht so hart ist, nicht so kraftvoll. Sondern es war einfach sehr sanft und fühlte sich sehr wohlig an. Heiner Ahrens, Bestatter
Der Kokon sieht von außen wie ein sehr eleganter, etwas größerer Sarg aus Edelstahl aus. Nachdem die beiden Bestatter den Sarg ausgeladen und die Verstorbene in den Kokon gehoben haben, wird sie Stück für Stück mit weiterem Substrat bedeckt.
Zersetzung ohne Kompostwürmer oder andere Helfer
Anschließend beginnt das Substrat mit seiner Arbeit. Bei der Zersetzung kommt es ganz ohne Kompostwürmer oder andere Helfer aus. Was an Mikroorganismen im Grünschnitt ist, reicht aus. Die körpereigenen Organismen sorgen außerdem dafür, dass sich alles innerhalb des Kokon in dem Zeitraum der 40 Tage auf bis zu 70 Grad erwärmt. Der befüllte Kokon wird dabei in ein großes Holzgestell eingehängt, Wabe genannt, und dort immer wieder leicht hin- und her bewegt.
Heu, Stroh, da waren jetzt auch ihre Lieblingsblumen dabei. Und die Urenkelin hatte glaube ich auch noch ein Brief geschrieben und ein Bild gemalt, das konnte da auch mit rein, weil das ja auch vergeht. Lisa Schwacke, Bestatterin
Kurz vor Ostern werden Lisa Schwacke und Heiner Ahrens dann wieder nach Mölln fahren, die Erde abholen. Was die Mikroorganismen an Knochen übrig lassen, kommt in eine Mühle. Die Erde muss dann für fünf Jahre auf einer genehmigten Fläche, etwa einem Friedhof, beigesetzt werden. Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Erde in Bremen in den eigenen Garten darf, meint Heiner Ahrens.
Bei ihm hat der Start der ersten Bremer Reerdigung noch das ganze Wochenende nachgewirkt, erzählt er. “Ich hatte das Gefühl an etwas Neuem, Surrealen teilzuhaben, an so einer richtigen Innovation”, sagt Ahrens. Er gehe davon aus, dass etwa ein Drittel der Menschen künftig eine Reerdigung haben wolle.
Reerdigung – woher kommt das?
Die Geschichte der Reerdigung hat ihren Ursprung in der USA. Schon seit über 50 Jahren werden im landwirtschaftlichen Bereich tote Tiere in Gefäße gelegt, in denen Stroh ist und in denen sie sich dann zersetzen. In zwei amerikanischen Bundesstaaten ist dies auch schon mit menschlichen Körpern erlaubt. Die Bundesländer werden wohl noch etwas brauchen, bis sie entsprechende Gesetze geändert haben, vermuten Fachleute. Die Nachfrage ist aber groß, sagt Heiner Schomburg, Chef des Bremer Bestattungsinstituts Trauerraum.
Siehe auch:
Siehe auch beim Weser-Kurier